
Es gibt im HR einen Moment, der jedes Jahr verlässlich kommt – und trotzdem viele überrascht: der Jahresabschluss. Obwohl, es ist ein bisschen wie Weihnachten, man weiss jeweils im Voraus wann es passieren wird.
Der Jahresabschluss beinhaltet immer auch die Verbuchung der Zeitsaldi. Ich habe im Laufe der Jahre gelernt: Wie bei den Weihnachtsgeschenken wird es erst dann entspannt, wenn wir früher konsequenter fokussieren und zwar im Sommer. Genau dann zeigt sich, ob sich über Monate unbemerkt Saldi angesammelt haben, die am Ende des Jahres unbequem werden. Im Sommer wäre der Moment für die korrigierenden Massnahmen.
Wie dem auch sei – wenn jetzt November ist, und die Salden hoch sind – was kannst du tun?
Warum hohe Zeitsaldi buchhalterisch wehtun
Zeitsalden sind nicht einfach Zahlen im Tool. Ferien- und Überstundenguthaben sind finanzielle Verpflichtungen des Unternehmens. Rückstellungen bleiben nicht theoretisch: Kündigt jemand, wird aus einem Zahlenwert eine reale Auszahlung. Deshalb wirkt es vielleicht in der Zeiterfassung harmlos aber es landet unter Rückstellungen in der Bilanz und das wiederum schmälert den Gewinn.
Darum lohnt es sich, rechtzeitig zu reagieren: Saldi prüfen, Bezug planen, Kompensationen absprechen. Je früher, desto weniger heiss die Diskussion im Dezember.
Und jetzt: Zeitsalden Streichen? Auszahlen?
Wer das verpasst hat, fragt sich dann ungefähr jetzt: Kann man Zeitsaldi streichen? Oder könnten wir sie wenigstens auszahlen?
Die ehrliche und rein rechtliche Antwort: Nur selten – und nur mit klarer Grundlage.
| Streichen | Auszahlen | Rechtsgrundlage | Bemerkung | |
| Überstunden (über die vertragliche Arbeitszeit hinaus) | Nein, ausser: Wenn eine schriftliche Regelung existiert (Personalreglement/Vertrag) und die Stunden nicht angeordnet oder betrieblich notwendig waren. | Ja, Überstunden dürfen ausbezahlt werden. | Art. 321c OR | Versuch das mal zu beweisen, dass Stunden nicht angeordnet waren… Weil fortlaufend nicht «abgelehnte» Mehrarbeit gilt als implizit genehmigt. |
| Überzeit (über gesetzliche Höchstarbeitszeit) | Nein. Hier ist das Gesetz eindeutig. | Ja, eine Auszahlung ist möglich. | Art. 12–13 ArG | Überzeit muss zwingend bezahlt werden (25 % Zuschlag) oder 1:1 kompensiert werden. |
| Ferien | Nein: Streichen ist grundsätzlich ausgeschlossen. Theoretisch einzige Möglichkeit: Streichen nach Verjährung nach fünf Jahren | Nein. Ferien dürfen ausser bei Vertragsende nie ausbezahlt werden. | Art. 329a – 329d OR Art. 127 OR | Da immer die ältesten Ferien zuerst abgebaut werden, müsste für die Verjährung ein angehäuftes Guthaben von mehr als 5 Jahren bestehen. |
| Betriebsspezifische Treueprämien- und Jubiläumssaldi (gemäss Betriebsreglement) | Ja, wenn es eine Verfallsregelung im Reglement gibt, ist sie zulässig. Gibt es keine, könnte man nach 5 Jahren Verjährung anwenden. | Ja, wenn im Reglement eine finanzielle Abgeltung vorgesehen ist, dann könnte man auszahlen. Wenn nicht, wäre die Auszahlung nicht zulässig. | Art. 127 OR | |
| Nachtzeitsaldo (Zeitgutschrift bei regelmässiger Nachtarbeit) | Nein: Die Zeitgutschrift von 10% bei regelmässiger Nachtarbeit kann nicht gestrichen werden. | Nein: Die Zeitgutschrift ist als Ausgleichsruhezeit vorgesehen. Sie kann nie mit Geld abgegolten werden. | Art. 17b ArG; ArGV 1 | Der Gesetzgeber sieht diese Zeit zwingend für die Erholung vor und deshalb ist sie innerhalb eines Jahres zu beziehen. |
In jedem Fall lohnt es sich, das betriebsinterne Reglement auf Bestimmungen hin zu konsultieren.
Bezug anordnen?
Für Überstunden und flexible Zeitsalden kann der Arbeitgeber den Bezug anordnen – unter bestimmten Bedingungen:
- betriebliches Bedürfnis
- angemessene Vorankündigung
- keine entgegenstehenden Vereinbarungen
Beim Ferienbezug gilt zusätzlich die bekannte Praxis: ca. drei Monate vorher informieren und Wünsche der Mitarbeitenden berücksichtigen. Überzeitguthaben dürfen nur im Einverständnis des Mitarbeitenden kompensiert werden. Die sollte aber innerhalb einer nützlichen Frist (3 Monate) geschehen.
Fazit: Saubere Planung
Ein strukturiertes Zeitkonto-Management schützt nicht nur die Bilanz, sondern auch das Vertrauen im Unternehmen. Hohe Zeitguthaben sind selten ein isoliertes Problem – sie weisen meist auf Themen wie zu hoher Workload, umständliche Prozesse oder untaugliche Tools hin.
Und eines habe ich oft erlebt:
Wer versucht, Probleme über das Streichen von Zeit zu lösen, verliert Vertrauen. So wundert es mich als Projektleiterin oder Interim Managerin nicht, wenn die Fluktuation hoch ist oder kaum neue Mitarbeitende gefunden werden können.
Zeit ist wertvoll, für alle. Deshalb lohnt es sich, die Zeitsalden fortlaufend zu beachten, nicht erst gegen Jahresende.
fabienne schmid, Zeitexpertin
Und wer sich unbeliebt machen will, dem empfehle ich eine Hau-Ruck-Aktion im November, mit Streichen, Auszahlen oder angeordnetem Bezug.
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